„Wir freuen uns, dass das ZDF im Jubiläumsjahr an unserer Universität zu Gast ist. Hier, wo das Bauhaus gegründet wurde, können die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen, wie heute Wissenschaft, Technik, Kunst und Gestaltung zusammenarbeiten, um die Fragen der Gegenwart zu beantworten“ - Professor Winfried Speitkamp, Präsident der Bauhaus-Uni.
Welche Fragen wurden denn gestellt, wenn die Antwort darauf seichte deutschsprachige Popmusik ist? Sind das wirklich die wichtigen Fragen der Gegenwart? Und in welchem Bezug stehen die vom ZDF gewählten Künstler (die bisher eher durch Sexismus und Macho-Fantasmen als durch künstlerische Avantgarde aufgefallen sind) eigentlich zur Tradition des Bauhaus? Das sind nur einige der Fragen, die uns gerade etwas verzweifeln lassen.
Es ist das Jahr 2019, das Bauhaus wird 100. Einst wurde es aus Weimar vertrieben, jetzt folgt Stufe zwei der Auslöschung: Der Kommerz. Nach Jahren des Desinteresses wird jetzt endlich mal richtig aufgeräumt, der Campus umgestaltet und Instagram-tauglich aufgehübscht, und der neue Präsident lädt schließlich ein in sein glänzend sauberes Reich – und verspricht, dass all das in der "Tradition" des Bauhauses geschieht.
Aber ist die Tradition nicht längst tot? Der große Austausch hat doch längst stattgefunden. Sauberer Beton gegen studentische Subkultur, aalglatter Mainstream gegen subversive Kunst, eingekaufte Professionalität gegen genialen Dilettantismus. Die Summary war mal die Jahresschau der Studierenden - stattdessen zeigt uns jetzt das öffentlich-rechtliche Fernsehen, wie Kultur denn richtig geht. Vor ein paar Wochen hieß es noch "(d)as ZDF versteht sich als Gast auf dem Campus der Bauhaus-Universität Weimar und möchte in der Reihe zdf @ BAUHAUS gern das lebendige Bauhaus zeigen, Arbeiten der Studierenden und die dazugehörigen Prozesse und auch die Universität und ihre Gebäude."
Stattdessen wurde die m18, das Haus der Studierenden, eins der Elemente des "lebendigen Bauhaus", dann plötzlich im Sicherheitskonzept "vergessen" und soll deswegen geschlossen bleiben. Und die Summary, die Arbeiten der Studierenden und all das? Muss sich hinten anstellen, der Campus gehört dem zdf und seiner großen Bühne. Die Wege zu den Ateliers sind versperrt mit Security, Absperrband und Ausweiskontrollen. Ob die Künstler am "alten" Bauhaus das so gewollt hätten?
Das Bauhaus verließ Weimar, nachdem es 1925 von der neuen national-konservativen Regierung durch finanziellen und politischen Druck geradezu vertrieben wurde. 1933 wurde es dann von den Nationalsozialisten endgültig zur Selbstauflösung gezwungen. Entsprechend wäre eine Positionierung gegen rechts eigentlich auch ganz im Sinne der Tradition gewesen. Stattdessen hat das zdf dann auch noch sehr fragwürdige, augenscheinlich rechte Security-Männer (mit Firmenname in Fraktur und szenetypischen rechten Kennzeichen an ihrem "Dienstwagen") verpflichtet. Das ist natürlich kein Problem. Das wahre Problem sind offensichtlich die Studenten und Mitarbeiter – denn die wurden vom Präsidium aufgefordert, doch bitte keine Waffen mitzuführen.
All das summiert sich auf. Viele von uns fühlen sich hier nicht mehr willkommen. Wo können wir hier denn noch etwas beitragen, uns einbringen, uns ausprobieren? Unsere Arbeiten sind ja offenbar nicht gut genug, unser Engagement nicht professionell genug, unsere Kultur nicht ansprechend genug. Irgendwo hinten in den schmuddeligen Ecken, ja gerne, aber bloß nicht auf dem schönen neuen Rollrasen.
Wir würden uns wünschen, dass das Präsidium mit den Studierenden endlich einen offenen und vor allem respektvollen Dialog über die Zukunft führt. Soll die Bauhaus-Uni lebendige Kultur bieten, oder doch nur eine weitere tote, museale Attraktion im Portfolio des Tourismus-Standortes Weimar sein?
Anmerkung: In einer früheren Version des Textes war die Vertreibung des Bauhaus aus Weimar etwas vereinfacht (und nicht ganz richtig) dargestellt. Siehe Kommentare.